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Je Suis CHARLIE -
Ein Plädoyer für die Freiheit des Denkens,
der Meinungsäusserung
und der Blasphemie
WIR SIND CHARLIE! WIR SIND PARIS! WIR SIND BRÜSSEL!

 

"Je
mehr ihr mordet, 

umso lächerlicher macht ihr euren Gott."
Religionen sind gefährlich. Sie fördern die Verblendung. Sie fördern den Fanatismus. Sie haben einen Hang zur Übererfüllung, das ist ihr Wesen. Religionen schaffen Ordnung: Sie sind wie ein Labyrinth, in dem sich die Menschen freiwillig verlieren, nur um sich mit großer Geste wieder herausführen zu lassen. Religionen reduzieren, vereinfachen, verdummen die Welt, weil sie so oft von Gut und Böse reden, bis sich das schlauste Kind fürchtet, und weil sie so tun, als hätten sie Antworten auf die komplizierten Fragen der Menschen.
Religionen spalten. Sie setzen sich selbst ins Recht und über andere. Sie teilen die Welt, davon erzählt die Bibel im Alten Testament sehr ausführlich, in die, die herrschen, und die, die beherrscht werden. Der Gott der drei Buchreligionen Judentum, Christentum, Islam, ist deshalb in vielem auch ein grausamer, ein zynischer, ein launischer, ein menschenverachtender Gott, ein Gott der Angst und der Rache. Und es sagt viel über die Menschen, dass sie sich so einen Gott ausdenken konnten. Es sagt aber auch viel über die Menschen, dass sie so einen Gott überlebt haben.
Nicht alle Christen wollen Abtreibungsärzte ermorden. Nicht alle Muslime wollen Karikaturisten erschießen. Natürlich sind manche Religionen gefährlicher als andere, das hängt auch mit dem Ort und der Zeit zusammen, mit dem ökonomischen, sozialen, politischen Druck und der Angst, die aus Veränderungen entsteht: Religionen sind das Kerosin, das man in Flammenherde schüttet, damit sie explodieren.



Religionen muss man deshalb immer bekämpfen, das war die Überzeugung von Cabu, von Wolinski, von Charb und all den anderen Zeichnern von "Charlie Hebdo", man muss sie zeigen als das, was sie sind: lächerlich. Juden, Christen, Moslems: alle lächerlich. Das war die Haltung von "Charlie Hebdo", die in der langen Tradition des französischen aufklärerischen, antiklerikalen, laizistischen Denkens steht und auf Seite des Lachens. Mohammed als Coverboy von "Charia Hebdo" mit dem Spruch: "100 Peitschenhiebe für jeden, der nicht vor Lachen stirbt." 
Mohammed 2012 mit hängenden Hoden und nackten Hintern, in dem ein gelber Stern steckt. 
Mohammed 2013 im Rollstuhl, der von einem Rabbi geschoben wird. 
Mohammed 2014, der von einem IS-Kämpfer geköpft wird. 
Es ist eine ungeheure Freiheit des Denkens, die aus diesen Bildern spricht, eine Lust daran, sich nichts vorschreiben zu lassen, sich nichts und niemandem zu unterwerfen weil das gerade das Wesen des Menschen ist, seine Bestimmung, für manche ein Fluch: frei zu sein. Nicht alle halten das aus. Aber Religion, diese "mittelalterliche Form der Unvernunft", wie es Salman Rushdie nach dem Anschlag formulierte, muss mit "Kritik, Satire und, ja, mutiger Respektlosigkeit" konfrontiert werden. Rushdie sieht im Herzen des Islam eine "tödliche Mutation" aber auch das "christliche Abendland" ist nichts weiter als eine Fiktion, es existierte nie und existiert heute nicht außer für die Leute, die an Dresdner Stollen glauben und Dresdner Ressentiments verkaufen. Was real ist, das ist dagegen die westliche liberale Gesellschaft, mit ihren Rechten und ihren Gesetzen: Und diese Gesellschaft beruht nicht darauf, was jemand glaubt oder nicht oder wo jemand herkommt oder ob er hier geboren ist nicht das Volk ist das entscheidende Kriterium, sondern der Einzelne. 
Für religiöse Menschen haben die Werte ihres Glaubens einen höheren Stellenwert als nicht-religiös definierte Werte. Sie verstehen ihre Gebote als Gesetze. Kollidieren diese mit den geltenden Gesetzen, stellen sie ihre Regeln oft über das weltliche Recht. Klar, denn Gesetze sind "nur von Menschen gemacht und können sich ändern. Der Glaube aber fußt - davon gehen Gläubige aus - auf Gott oder Göttern. Viele Religionen begegnen Menschen, die ihnen nicht folgen, mit Geringschätzung. Andersgläubige oder - fast noch schlimmer - Atheisten gelten ihnen zumindest als Irrgläubige, wenn nicht als minderwertig oder sogar als Feind. Sie unterstellen ihnen einen Mangel an Moral und Werten. Die einende Kraft der Religion wirkt auf die, die nicht dazugehören, ausgrenzend und diskriminierend. Auch in Deutschland sind Nicht- und Andersgläubige häufig genug Leidtragende religiös definierter "Gesetze", denen sie eigentlich gar nicht unterstehen. Die Farce um einen muslimischen, westfälischen Schützenkönig, dem von einem Schützenverband zunächst nahegelegt wurde, entweder zurückzutreten, weil er kein Christ sei, oder alternativ eben zum Christentum zu wechseln, kann man als Realsatire verbuchen. Immerhin hat sich der Verband schließlich dazu durchgerungen, dass Mithat Gedik seinen Titel behalten darf, wenn auch mit bizarr anmutenden Auflagen. Viel schwerer wiegen alltägliche Diskriminierungen, zum Beispiel im Arbeitsleben.
Kirchen gehören zu den größten Arbeitgebern des Landes, von ihren Angestellten verlangen sie eine religionskonforme Lebensweise. Das ist zu rechtfertigen, wenn es um kirchliche, mit der "Verkündigung" verbundene Ämter und Funktionen geht. Nicht zu rechtfertigen ist es, wenn die Kirche wie im Falle von Krankenhäusern oder Kindergärten in staatlich finanzierten Einrichtungen ihre religiösen Regeln zum Gesetz erhebt. Mit sagenhafter Dreistigkeit hebeln kirchliche Arbeitgeber jeder Couleur Tarifverträge aus. Der Staat gesteht bestimmten Religionen sogar Sonderrechte zu und ignoriert selbst Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Stattdessen gesteht er den Kirchen der Weimarer Reichsverfassung folgend noch immer zu, ihr eigenes Arbeitsrecht zu definieren. Wir leben keineswegs in einem säkularen Staat, der allen Religionen und Überzeugungen eine gleichberechtigte Bühne bietet. Christliche Kirche und Staat sind in Deutschland nicht getrennt. Steuerzahler finanzieren die Gehälter der christlichen Priester und Religionslehrer aus dem Topf für Beamte, nicht durch die Kirchensteuer. Die ist eine Art Mitgliedsbeitrag und als solcher nur insofern zu beanstanden, als der Staat diesen kostenfrei eintreibt - er tut das für keinen anderen Verein. Zu beanstanden ist aber durchaus, dass Nichtchristen mit ihren Steuergeldern Ausbildung und Gehälter von christlichen Priestern bezahlen, die Instandhaltung von Kirchenbauten, den Missionsbetrieb in kirchlichen Krankenhäusern oder Kindergärten.
Die Steuerzahler finanzieren auch den Religionsunterricht, dessen Aufgabe es ist, nachwachsende Kirchenmitglieder mit Glaubensinhalten zu füttern. Zuletzt bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im April 2014 den Verfassungsrang der (christlichen) Religion: Ein Recht auf Ethikunterricht statt religiöser Unterweisung hätten Schüler in Deutschland deshalb nicht. Nichtgläubige werden genötigt, am Religionsunterricht teilzunehmen - oft mit erheblichen Nachteilen für den Zeugnisdurchschnitt.
Die Privilegierung einer Religion passt nicht zu einem modernen, aufgeklärten Staat. Zur Chancen- und Rechtsgleichheit gehört es, die Religionen vom Staat zu trennen und auf ihren Platz zu verweisen: Dann dürfen sie wie andere Vereine auch um Mitglieder werben - ohne staatliche Finanzierung durch Steuergelder, ohne Sonderrechte. Religiöse Diskriminierung ist ein höchst ambivalenter Begriff: Jemand kann wegen seiner Religion diskriminiert werden, aber auch durch die Religion anderer. Das sollte - wie im aberwitzigen Fall einer Vereinsordnung, die es Muslimen verbietet, Schützenkönig zu werden - nicht mit dem Recht in Einklang zu bringen sein. Ausgesuchten Religionen Privilegien zu geben und normativen Einfluss zuzugestehen, ist schlicht unmoralisch.
Wenn die Tragödie von Paris eines zeigt, dann dieses: Eine freiheitliche Demokratie braucht Blasphemie. Denn Blasphemie stellt Dogmen infrage. Und Dogmen, seien es religiöse oder politische, sind mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch der natürliche Feind des kritischen Denkens. Zur Erinnerung: Wenn von "westlichen Werten" die Rede ist, spielen sich die christlichen Kirchen gern als deren Geburtshelfer auf. Doch das Gegenteil ist der Fall. Jene Werte der Aufklärung, auf die sich auch Deutsche heute gern berufen - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung wurden nicht von den Kirchen, sondern meist gegen sie durchgesetzt. Das zentrale Merkmal der Aufklärung ist, alles hinterfragen zu dürfen. Das Licht der Vernunft soll in jeden Winkel scheinen, um Unterdrückung, Aberglaube, Intoleranz und Vorurteile zu überwinden. Und das stört all jene, die manche Bereiche lieber im Dunkeln lassen wollen.
 
Eines der meistbenutzten Instrumente dieser Dogmen-Verteidiger ist das "religiöse Gefühl". Wer den Schutz religiöser Gefühle für sich markiert, erhebt seine persönliche Weltanschauung über den kritischen Diskurs, er erklärt Teile seines Glaubenssystems für heilig, ihr Hinterfragen zum Affront. "Das verletzt meine religiösen Gefühle" ist ein Satz, der jede Debatte beenden kann. 
Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, dass Religionen und andere Weltanschauungen in Deutschland noch immer gesetzlichen Schutz vor allzu harter Kritik genießen. Der Anschlag auf "Charlie Hebdo" verdeutlicht, wie absurd diese Argumentation ist: Ihr zufolge müssten in Deutschland nicht nur die mordenden Fanatiker, sondern auch die Karikaturisten bestraft werden. Der Staat macht sich mit solchen Gesetzen zum Unterstützer der Feinde des offenen Diskurses. Vertreter jedweder Ideologie, ob politisch oder religiös, müssen es schlicht ertragen können, dass ihre Weltanschauung hinterfragt, kritisiert und, ja, auch lächerlich gemacht wird.